23. April 2012

Wartepflicht eines Linksabbiegers auch gegenüber Rotlichtfahrer?

Entscheidungsrelevante Normen: §§ 9 Abs. 3, 37 Abs. 2 StVO, 7 Abs. 1, 17 Abs. 1-3, 18 StVG

Dem OLG Frankfurt lag ein Verkehrsunfall mit folgendem Unfallhergang zur Entscheidung vor:

Der Unfall ereignete sich an einer Kreuzung. Der Kläger wollte dort nach links abbiegen und hatte somit grundsätzlich den entgegenkommenden Fahrzeugen Vorfahrt zu gewähren. Der herannahende Beklagte war allerdings bei Rot in die Kreuzung eingefahren und kollidierte mit dem gerade nach links abbiegenden Fahrzeug des Klägers. Die Gerichte hatten nunmehr die Schuldfrage zu klären. Das OLG Frankfurt entschied mit Urteil vom 05.04.2011 wie folgt:

Das Landgericht Darmstadt hatte in der Vorinstanz die Ansicht vertreten, dass die Wartepflicht eines Linksabbiegers auch dann gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen besteht, wenn diese verbotswidrig bei Rot über die Kreuzung fahren. Es sei deswegen unerheblich, dass der Beklagte bei Rot gefahren sei. Als Begründung führte das LG an, der Kläger könne sich schon deswegen nicht auf die Ampelregelung berufen, weil er diese zum Unfallzeitpunkt nicht habe einsehen können. Es gelte für ihn insoweit keine Ampelregelung, weil er nicht die Phase der für den Gegenverkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage erkennen könne.

Dieser recht einseitigen Auffassung hat das OLG Frankfurt eine Absage erteilt.

Nach der Entscheidung des OLG trifft den bei Rot gefahrenen Beklagten eine hälftige Mitschuld an dem Unfall. Der Rotlichtverstoß (§ 37 Abs. 2 StVO) wiege genau so schwer, wie der Verstoß gegen das Gebot den Gegenverkehr beim Linksabbiegen durchlassen zu müssen (§ 9 Abs. 3 StVO). Das Gericht kam daher zu einer 50/50 Quotelung, d.h. im Ergebnis hatten beiden Parteien die Kosten des Unfalls und der Rechtsverfolgung je zu 50% zu tragen.

(OLG Frankfurt, Urteil v. 05.04.2011, Az.: 22 U 67/09)

In Kategorie: Rotlichtverstoß, Verkehrsunfall